Am 3. April 2011 9.00 Uhr jährte sich die Eröffnung des Areals mit Schlachhof und Bad vor 100 Jahren

(Abdruck des Artikels im Brucker Wochenblatt vom Dienstag, 4. April 1911 Quelle: Stadtarchiv FFB )

Das wurd von der Subkultur am Abend davor, am Tag
und am Ort gefeiert:
100-Jahr-Feier des alten Schlachthofs

 

 

Facharbeit zum Architekten Adolf Voll von Kadir Kara, 2008

außerdem ergänzende Fotoreihen von Kadir Kara:
zur Person und weiteren Bauten von Adolf Voll in Fürstenfeldbruck:

 

 

 

Facharbeit im Leistungskurs Kunst am Viscardi-Gymnasium
von Aline Pronnet, 2010:

"Das historische Warmbad am Alten Schlachthof Fürstenfeldbruck -
Geschichte, Zustand und mögliche Nutzung

PDF-Datei, 20,5MB

 

 

 

 

Die Schlachthofanlage in Fürstenfeldbruck.

Fürstenfeldbruck, ein in rascher Entwicklung begriffener Marktflecken im prächtigen Ampertal, erbaute im verflossenen Jahre ein Gemeindeschlachthaus mit Kühlanlage und verband damit ein öffentliches, den örtlichen Verhältnissen genügendes Badehaus, wie dies aus den Abbildungen ersichtlich ist. Diese Badeanlage enthält fünf Wannen- und drei Brausebäder, Warteraum, Badewärterzimmer und Klosett und ist direkt von der Straße zugänglich, so daß die Badegäste mit dem Schlachthof in keiner Weise in Berührung kommen. Als Badewasser wird das als heilkräftig angesehene Amperwasser benutzt. Über den Baderäumen liegt im Obergeschoß die Wohnung des Hallenmeisters sowie ein einzelnes vom Treppenhaus zugängliches Zimmer für den Maschinisten. Diese Vereinigung von Badeanstalt und Schlachthof ist recht zweckmäßig, der Betrieb gestaltet sich dadurch für die Badeanstalt sehr billig und wäre eine solche als selbständige Anlage mit diesen Bequemlichkeiten für einen kleinen Ort nur schwer durchzuführen, während andererseits die maschinelle und Kesselanlage des Schlachthauses durch die angegliederte Badeanstalt kaum berührt wird. Diese Maßnahmen lösten zugleich zwei sanitäre Bedürfnisse in einfacher aber mustergültiger Weise.

Die Schlachthofanlage ist nur wenige Minuten vom Marktplatz entfernt auf einem von der Gemeinde erworbenen Grundstück (Obermühle) von idealer Lage, da es ringsum von Amperarmen umschlossen wird. Der Lageplan gibt Aufschluß darüber, sowie über die Gruppierung der Gebäude, von denen vier neu erstellt worden sind. Rechts der Haupteinfahrt ist der alte Stadel der Obermühle für die Schlachthofzwecke umgebaut worden, er enthält die Freibank, Waschküche für das Bad, Metzgergarderobe und Großvieheinstellstallung, einen Seuchenstall und das Tierarztzimmer. Die Neubauten sind durch grüne Rasenflächen abgetrennt, nach rückwärts gelegen. Rechts befindet sich die Schlachthalle mit Schlachtplätzen für Groß- und Kleinvieh sowie für Schweine, in direkter Verbindung damit steht der Brühraum mit Kaldaunenwäsche und anschließend hieran die Schweinewartebuchten. Das Geschäftszimmer des Hallenmeisters ist an der Nordwestecke der Schlachthalle gelegen, und gestattet einen Überblick über den ganzen Schlachtbetrieb. Die Abmessungen der Schlachthalle sind so bemessen, daß dieselben nach Steigerung des Betriebs noch ausreichen; bis jetzt können 4 Stück Großvieh gleichzeitig geschlachtet werden, außer den vorhandenen 4 Winden ist der Einbau einer fünften vorgesehen. Im Brühraum befinden sich 3 Kessel zum Brühen der Schweine, Kutteln und Füße, 2 große Schabetische sowie 6 Kaldaunenwaschgefäße mit den dazugehörigen 6 Tischen. Die Wände der Schlachthalle und des Brühraumes sind mit glasierten Wandplatten, der Fußboden mit roten Natursandsteinplatten belegt.

Südlich der Schlachthalle, in etwa 13 m Abstand, steht das Nebengebäude, welches den Pferde- und Sanitätsschlachtraum, Abort- und Düngerraum mit den darunter befindlichen Düngerwagen enthält, der Dünger kann durch eine bedeckte Rampe abgefahren werden. Nördlich in 15,50 in Abstand gegenüber der Schlachthalle, durch ein in Eisenbeton ausgeführte Überdachung des Hochbahngleises verbunden, ist der Vorkühlraum, Pökelraum und die Kühlhalle mit 13 Fleischzellen. Sämtliche Räume haben Wandfließen, Pökel- und Vorkühlraum roten Sandsteinboden, die Kühlhalle rote Tonplatten als Fußbodenbelag. An diese Räume (siehe Grundrisse) reihen sich nach Westen Maschinen- und Kesselräume mit Kohlenraum, Verbrennungsofen für Konfiskate und ein Nebenraum für den Maschinisten an. Die bisher in Schlachthöfen übliche Heißwasserbereitung mittels hochgespannten Dampfes wurde verlassen. Das für Schlachthofhäuser und Badezwecke nötige Heißwasser wird in zwei über dem Maschinenhaus aufgestellten Vorwärmern auf eine Temperatur von 90° erwärmt und von diesen den Verbrauchsstellen direkt zugeführt. Als Dampferzeuger für die Vorwärmer dienen 2 Niederdruckkessel, von denen nur einer in ständigem Betrieb ist. Die Brühbottiche im Brühraum sind außerdem noch mit Dampfmänteln versehen, so daß sie beim Sinken der Temperatur sofort mit Dampf nachgeheizt und auf die nötige Temperatur gebracht werden können, die Heizflächen sind so bemessen, daß das Wasser in in wenigen Minuten zum Sieden gebracht werden kann. Diese Heißwasserbereitung ergibt eine gleichmäßige Beanspruchung der Kessel während der ganzen Betriebszeit, die auf Tages- und Nachtzeit ausgedehnt werden kann, die Bedienung ist gefahrlos und einfach und zugleich eine rationelle Ausnützung des Brennmaterials möglich. Die Projektierung und Ausführung der ganzen Heißwasseranlage erfolgte durch die Gesellschaft für Lindes Eismaschinen in Wiesbaden, welche auch die Kältemaschinen lieferte, die in neuester Bauart zur Aufstellung gelangten. Die angewendeten Überhitzungseinrichtungen und Kälteaufspeicherungen seien dem Prinzip nach kurz erwähnt, die ersteren haben den Zweck, nur getrockneten Dampf durch den Kompressor zu leiten, und die in den angesaugten Dämpfen mitgerissene Flüssigkeit abzuscheiden und den Verdampfschlangen wieder direkt zuzuführen, wodurch eine Arbeitsersparung von 20-30 Proz. erzielt wird.

Die Kälteaufspeicherung ermöglicht die während des Kompressorbetriebs erzeugte aber nicht verbrauchte Kälte aufzuspeichern, und diese während der Betriebspausen den Kühlräumen zuzuführen. Der unterbrochene Betrieb bedingt Temperaturschwankungen, welche durch diese Anordnungen wesentlich ausgeglichen werden. Die Zu- und Abfuhr der Kühlhausluft geschieht nicht in Holzkanälen, sondern durch vergitterten Deckenschlitze, durch welche mittels eines Ventilators die Luft über den Luftkühler geführt und von hieraus wieder selbständig durch Deckenschlitze in das Kühlhaus gelangt; durch den Wegfall der vielfach üblichen Holzkanäle wird die Ansammlung von Staub, Schmutz und Ungeziefer vermieden. Mit den Kältemaschinen ist eine tägliche Produktion von 500 kg Stangeneis verbunden, für den gesamten Wasserbedarf wird Quellwasser und Grundwasser verwendet, alle Maschinen, Pumpen, Ventilatoren werden durch Elektromotoren angetrieben.

Die Abwasser werden zunächst in einer dreikammerigen Kläranlage mechanisch gereinigt, und dann zur weiteren Klärung in einen Karpfenweiher gepumpt. Wie aus dem Querschnitt durch die Schlachthalle ersichtlich ist, ist das Dach der Halle in Eisenbeton konstruiert, dadurch werden die bei hölzernen Dachstühlen entstehenden unnötigen Hohlräume vermieden, an Raum aber wesentlich gewonnen, so daß die ganze Dachkonstruktionshöhe mit zur Erweiterung der Innenräume dient; es ist dies für den Brühraum, in dem zur kälteren Jahreszeit sich riesige Dampfschwaden entwickeln, von großem Vorteil. Auf dem First befinden sich 3 Ventilatoren, welche für raschen Abzug der entstehenden Dämpfe sorgen.

Die ganze Anlage zeigt in der technischen Disposition recht zweckmäßige Anordnungen, wie auch die architektonische Lösung eine erfreuliche ist. Alle Gebäude haben einfach geputzte Mauern auf grauem Betonsockel und eine Biberschwanzdachbedeckung. Die ganze Formgebung ist der örtlichen Bauweise geschickt angepaßt und harmonisch mit der Umgebung in Einklang gebracht. Die gesamten Baukosten betrugen ohne Grunderwerb, jedoch einschließlich Badehaus 240 000 Mark.

Diese zweckentsprechende Anlage hat nach verschiedenen Seiten anregend gewirkt und Veranlassung gegeben zu dem Ausführungsprojekt für Pfarrkirchen, das auf S. 229 und 230 dargestellt ist, und das nach denselben Gesichtspunkten erbaut werden soll. Die Hauptanlage ist aus dem Grundriß und der Perspektive ersichtlich, sie wirkt durch die geschlossene Gruppierung um den Wirtschaftshof noch wesentlich günstiger, und zeigt, daß man reine Zweckbauten künstlerisch lösen kann, ohne in technischer Beziehung irgend etwas zu opfern.

Die Einrichtung der Schlachthalle lieferte die Firma Beck & Henkel in Kassel, die Tonfliesen für Schlachthalle und Brühraum Holz & Co., Frankfurt, die Natursandsteinplatten sind von den Solinger Sandsteinwerken.

Artikel im "Der Industriebau", Leipzig Carl Scholtze Verlag, 1911

 



 

Hermann Ludwig